https://www.taz.de 01.06.2001
Mafia-Mania
("Der Hund aus Terracotta", Sa., 23.05 Uhr, SWR1-Radio)

Bloß keine Cracker! Wenn man sich das Knabberzeug in den Mund schiebt, hört man für mehrere Sekunden nur das Krachen zwischen den Zähnen, aber nicht was Commissario Salvo Montalbano seiner Freundin Livia ins Ohr flüstert. Womöglich hält man die Geräusche noch für Schüsse auf Livia. Nein, bloß keine Cracker. So dicht ist die Hörspielfassung von Andrea Camilleris "Der Hund aus Terracotta", dass man ganz schnell den Faden verliert. Der SWR erzieht uns zum Stillsein und Zuhören - aufs Klo gehen sollte man auch vermeiden. So ist das bei Hörspielen. Und bei Commissario Montalbano ganz besonders. Eines Abends bekommt er einen Anruf. Mafiaboss Tanu u Crecu möchte sich mit ihm treffen. "Nehmen Sie mich fest", fordert der fünffache Mörder. Montalbano ist verwirrt, aber erfüllt den Wunsch. Bei der Fahrt ins Gefängnis wird auf Tanu u Crecu geschossen. Bevor er an seinen Verletzungen stirbt, verrät er Montalbano noch ein Geheimnis: Auf einem Berg in einer Höhle hat die Mafia ihr Waffenlager. Doch da ist noch mehr. In einem Nebenraum entdeckt Montalbano die Leichen eines Liebespärchens. Um sie herum stehen ein Krug, eine Schale mit alten Münzen und ein lebensgroßer Schäferhund aus Terracotta. Ein Totenkult oder eine Botschaft? Montalbano geht mit sizilianischer Ruhe an das Rätsel. Die Lösung liegt irgendwo im Zweiten Weltkrieg. Andrea Camilleri, der den Commissario erfunden hat, hat sein erstes Buch mit fünfzig geschrieben. In Italien ist der inzwischen 75-Jährige so etwas wie ein Volksheld. Seine Bücher aus einem kleinen unbedeutenden Verlag wurden schleichend zu Bestsellern. Seine detailverliebten Beschreibungen, der sizilianische Slang und die kleinen Laster des Commissario - all das, was Camilleris Bücher so erfolgreich macht, kommt in der Hörspielfassung nur zum Teil rüber. Ein paar Möwen, Meeresrauschen und das Zirpen der Zikaden, dazu jazzige Musik - das ist sizilianisches Flair im Radio. Der Rest muss im Kopf entstehen. Die Spannung hält nur beim aufmerksamen Zuhören. Wenn man doch mal aufs Klo muss: unbedingt das tragbare Radio mitnehmen. RALF GEISSLER taz Nr. 6460 vom 1.6.2001, Seite 18, 77 Kommentar, RALF GEISSLER, Rezension * in taz-Bremen, -Hamburg: S.21 / in taz-Ffm: S.17