home page Camilleri 100





Wer hat Angst vor Camilleri? [Chi ha paura di Camilleri?]



Es handelt sich bei der Inszenierung "Wer hat Angst vor Camilleri?" um eine bilinguale Theaterarbeit, die auf dem gelesenen, rezitierten und gesungenem Wort beruht. Das Kernstück der Arbeit ist die dramatische Bearbeitung einiger der mittlerweile auch in Deutschland bekannten und viel gelesenen Geschichten des Comissario Montalbano des sizilianischen Autors Andrea Camilleri. Die Erzählungen, die von den deutsch-italienischen Schauspielern Nicola Möller und Christian Concilio teils gelesen, teils im bilingualen Dialog spielend vorgetragen werden, handeln von kriminellen Machenschaften, Mafia und ihren variationsreichen Erscheinungsformen unter immer gleichen strukturellen Vorzeichen. Ähnlich der Blätterkrone einer Artischocke, Symbol für den geschlossenen, hierarchischen Charakter der Mafia, "entblättert" sich die Inszenierung bis sie zum Herzstück kommt, zu Camilleri und seinen (wahren) Geschichten. Anläßlich des 10. Todestages des engagierten Mafiarichters Giovanni Falcone beginnt die Reise nach Sizilien mit einer Bildersequenz, die die Todesstelle Falcones zeigt. Maurizio Saccomanno, ein bekannter italienischer Percussionist wird Bilder der dunklen Seiten von Sizilien mit Rhythmusinstrumenten begleiten, während Roberto Gionfriddo und Christian Concilio dazu antike Mafialieder auf deutsch und italienisch vortragen. Miriam Hannes, in der antiken Funktion eines Chores erklärt dem Publikum, was es auf den Bildern sieht und sehen soll. Sie ist die personifizierte Erinnerung, la memoria del corpo. In einer nachfolgenden farbigen Bildersequenz stimmt Nicola Möller das Publikum mit einer gesungenen sizilianischen Canzone auf den positiven Kontrast der Lebensfreude ein, den die sizilianische Gesellschaft bietet. In einem nachgestellten Literatursalon fürs Fernsehen begrüßt Miriam Hannes, nun als Moderatorin, den Autor Andrea Camilleri und erfragt in einem fiktiven Interview seine Haltung zu Mafia, Politik und der eigenen Biografie. Christian Concilio leiht Camilleri seine Stimme. Das Herzstück der "Artischocke", die Realität des Comissario Montalbano und den Bewohnern seines Polizeidistriktes ist die szenische Lesung der Camillerigeschichten auf deutsch und italienisch. Beide Schauspieler bringen ihre spezifische Art zu spielen in die Lesung mit ein. Auf der einen Seite füllt Nicola Möller die Erzählungen mit Gestaltungsmitteln der Commedia dell'Arte, während Christian Concilio weniger Körpersprache dafür mehr reflexive Distanz in seine Erzählweise legt. Camilleris Geschichten reizen durch ihren Sprachwitz und ihrer Unmittelbarkeit, sie sind aus dem Leben in einer sizilianischen Kleinstadt gegriffen und beleuchten hinter der fiktiven Fassade der einzelnen Fälle, die Montalbano zu lösen hat, reale Zustände der dortigen Gesellschaft. Ihrer Authentizität wird die deutsch-sizilianische Besetzung dieser Sequenz im Spiel gerecht. Der Abschluß des Abends ist "leise", in der Funktion eines ironischen Kommentars kommt der Sizilianer Roberto Gionfriddo auf die Bühne und singt das Lied "O sole mio" und gibt der Theaterarbeit damit einen offenen und gleichzeitig fatalistischen Schluß, der noch einmal aufgebrochen wird durch Nicola Möller und dem Lied "Malevento". Die gewählte Thematik reagiert einerseits auf das erneute Aufleben des Interesses für Mafiageschichten beim deutschen Lesepublikum durch die erfolgreichen Übersetzungen der Camilleri-Erzählungen und andererseits auf ein Bedürfnis der Akteure sich mit den Realitäten ihrer ersten bzw. zweiten Heimat Sizilien auseinanderzusetzen, wobei man an dem Thema Mafia nicht vorbeikommt. Eine Lesung über die Mafia reizt zu Diskussionen, es gibt verschiedene Möglichkeiten der Annäherung. Unabhängig von aufsehenerregenden Prozessen, blutigen Morden und illegaler Machenschaften gibt es mafiöse Strukturen im alltäglichen Leben auf Sizilien, die im kollektiven Bewußtsein der Bevölkerung als solche kaum wahrgenommen werden. Leonardo Sciascia sagte einmal, die "eigentliche Mafia" sei im Grunde la mamma italiana, als Inbegriff der italienischen Familie, die mit ihrem überproportional ausgeprägten Beschützerinstinkt den Boden für Nepotismus fruchtbar hält. "Mafia" spielt sich also auch auf den kleinen Bühnen des Lebens ab. Mit unserer szenischen Lesung möchten wir dem Publikum mit Text und Gesang diese Bühnen präsentieren, die in Sizilien nicht an Aktualität verlieren.

IPAZIA: il nome della giovane Compagnia siculo-tedesca, residente ad Amburgo ricorda uno dei pochi personaggi femminili della storia della filosofia antica - Ipazia era una filosofa e matematica che visse ad Alessandria d'Egitto tra il sec. IV. e il V. ed era famosa per il suo spirito di ribellione, che causò anche la sua violenta morte in pubblico per la sua avversione al cristianesimo. La scelta di questo nome da parte dei membri della Compagnia Ipazia è stata piuttosto intuitiva, visto che fa anche pensare all'omofonia con la pazzia o i pazzi, un elemento caratteristico dell'arte della recitazione; e poi la pazzia è stata sempre la portavoce della verità - ora la compagnia non pretende certamente la verità, ma comincia con ogni nuovo spettacolo una ricerca sul campo minato della propria verità.

Il recente spettacolo della Compagnia Ipazia con il titolo "Chi ha paura di Camilleri?" [Wer hat Angst vor Camilleri?] prende spunto dalle storie intorno al Commissario Montalbano di Andrea Camilleri per arrivare a una discussione della matrice mafiosa nella vita di ogni giorno, non solo siciliana ma inteso come gioco di silenzi forzati in qualsiasi contesto. Allestito per l'anniversario della morte di Giovanni Falcone, lo spettacolo è stato dedicato a lui. Dice Falcone che si muore generalmente perché si è soli o perché si è entrati in un gioco troppo grande. Da un lato si riferisce chiaramente alla lotta concreta contro la mafia da parte di un giudice Anti-Mafia, come è stato lui, dall'altro lato Falcone ci fa notare che prima del cambiamento ci vuole la mano del vicino e prima della volontà di vincere la coscienza per le proprie facoltà. "Chi ha paura di Camilleri?" [Wer hat Angst vor Camilleri?] agisce in questo senso e cerca di avvicinarsi al tema complesso della Mafia attraverso la quotidianità, senza banalizzare i fatti. Le storie di Camilleri si prestano molto bene come punto di partenza, mischiandosi con pensieri propri, canzoni popolari che parlano di mafia e criminalità ma anche della Terra e del come si fa a stare sempre in piedi senza cascare, a vivere la vita con dignità, a capire sempre in tempo qual'è la verità. In parte le parole vengono sostituite con diapositive proiettate su uno schermo mostrando scene e impressioni della Sicilia: case murate da decenni, impalcature illegali, miseria ma anche feste sacre, bellezze architettoniche e naturali. Queste immagini valgono non solo come illustrazioni ma soprattutto per colmare un silenzio, forzato dalle leggi di una società moralista: "Terra mia, le parole sono come le pietre, fanno male, procurano dolore, ma soltanto a chi ha del pudore quasi non sa campare e la gente questo lo sa." (citato dalla canzone "Terra" di Malevento - Canzoniere della Ritta e della Manca)

Nicola Möller, Schauspielerin der Comedia dell’Arte, Christian Concilio, ausgebildeter Schauspieler an der Otto-Falkenberg-Schule, Roberto Gionfriddo, Operntenor, Maurizio Saccomanno, Musiker und Anke Zimmermann, Text und Regie, werden auf deutsch und italienisch einige ausgewählte Camillierigeschichten vortragen und uns mit Text und Gesang diese kleinen Bühnen präsentieren, die im sizilianischen Alltag nicht an Aktualität verlieren.




Last modified Saturday, July, 16, 2011